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Im Spannungsfeld zwischen Sicherheit, Service und Vermittlung – Warum sich der Einsatz von integrativen Teams im Besuchsservice lohnt

Aus den unterschiedlichen Erwartungen an den Besuchsservice aus der Perspektive der Kulturorte auf der einen, und der Besucher*innen auf der anderen Seite, kann ein Spannungsfeld zwischen den konkreten Anforderungen an Sicherheit, Service und Vermittlung entstehen. Während Kulturorte auch die gesetzlichen Regularien im Blick haben müssen, steht für die Besucher*innen das Besuchserlebnis, welches durch Vermittlung und Service geprägt ist, im Vordergrund. Oftmals sind verschiedene Ansprechpartner*innen für Aufsicht, Service und Vermittlung vorgesehen, um allen Anforderungen bestmöglich gerecht zu werden. Werden die Verantwortlichkeiten für die Erbringung dieser Aufgaben operativ vollständig voneinander separiert, kann sich dies für die Besucher*innen negativ im Besuchserlebnis niederschlagen. Der Einsatz von integrativen Besuchsservice-Teams, in denen die Rollen gebündelt oder im Rotationsprinzip ausgeübt werden, kann hier Abhilfe schaffen.

Rollen im Besuchsservice – Zwischen gesetzlichen Regularien und Besuchererwartungen

Welche Aufgaben übernimmt das Personal in Kulturorten und wie sind diese gewöhnlich in den einzelnen Rollen gebündelt?

Das Aufsichtspersonal gewährleistet im Rahmen der Ausübung von „Jedermannsrechten“ einen sicheren und vor allem geordneten Besuch, indem es die Befolgung der Besuchsordnung und das Hausrecht durchsetzt. Dabei ist es allerdings weder in der Verantwortung noch im Können und der Befugnis mit Einsatzkräften der Polizei oder Feuerwehr gleichzusetzen, sondern alarmiert diese im Notfall und leitet Evakuierungsmaßnahmen ein. Je nach Aufgabenbereich müssen die Mitarbeiter*innen eine Unterrichtung oder Prüfung nach § 34a GewO vorweisen. Inhaltlich sinnvoll sind zudem Unterweisungen in Brandschutz sowie Evakuierungshilfe und Erste Hilfe.

Das Servicepersonal hingegen ist für die Betreuung der Besucher*innen im direkten Besucherkontakt und während der gesamten Visitor Journey zuständig. Beispiele für typische Touchpoints mit den Besucher*innen sind z.B.:

  • Telefonische Information zum Angebot vor dem Besuch
  • Ticketkauf online oder vor Ort
  • Auskünfte zu Infrastruktur und Objekten während des Besuchs
  • Feedback- und Beschwerdemanagement während und nach dem Besuch

Die Vermittlung wird ebenfalls weitestgehend als separate Säule in diesem Rollengefüge betrachtet, da die Vermittlungs- und Bildungsarbeit eine Kernaufgabe von Kulturorten ist. Es ist also nicht verwunderlich, dass zahlreiche Mitarbeiter*innen mit dieser Aufgabe betraut, dafür professionalisiert und vielfältig qualifiziert sind. Vermittlungsarbeit kann in vielen Formen erfolgen. Neben dem üblichen Angebot von Führungen und Workshops können auch Explainer*innen, Cicerones oder Animateur*innen direkt in der Ausstellung – und ohne Vorbuchung – vermitteln. Aber es sind eben nicht ausschließlich die geschulten Vermittler*innen, die mit den Besucher*innen interagieren, Inhalte transportieren, erklären und in Kontexte setzen. So stellen Nicole Burzan und Jennifer Eickelmann in ihrem Projekt „Aufseher – Vermittler – Animateure. Zur Rolle des Servicepersonals bei der kulturellen Bildung im Museum“ fest, dass auch das Aufsichts- und Servicepersonal eine Vermittlungsfunktion übernimmt, auch wenn diese oftmals nicht explizit im Rollenprofil und den entsprechenden Aufgabenbereichen vorgesehen ist.

Warum es sich lohnt, die Rollen Aufsicht, Service und Vermittlung gemeinsam zu betrachten

Während Kulturorte seitens Sicherheit also gezielte Voraussetzungen erfüllen müssen, die durch den Gesetzgeber geregelt und in Form von Sicherheitskonzepten umgesetzt werden, gehen Besucher*innen ganz selbstverständlich davon aus, dass ihr Besuch „sicher“ ist. Viel wichtiger in ihrer Wahrnehmung ist das Besuchserlebnis selbst, welches zentral durch den Service und die Vermittlung durch die Mitarbeiter*innen vor Ort bestimmt wird. Besucher*innen erwarten bspw. kompetente fachliche Auskünfte, Zugewandtheit der Mitarbeiter*innen und Verlässlichkeit der Services. Dabei können sie oftmals nicht zwischen den verschiedenen zugewiesenen Rollen im Besuchsservice unterscheiden und sprechen bei Fragen den nächsten verfügbaren Mitarbeitenden an – das kann eben auch „das Aufsichtspersonal“ statt der Explainer*in sein, sodass auch dieses mit inhaltlichen Fragen konfrontiert werden kann. Wie detailreich diese Beantwortung von allen Mitarbeiter*innen operativ möglich ist, kann nur kulturortspezifisch geklärt werden, jedoch ist fehlende Auskunftsfähigkeit in diesem Fall für beide Seiten enttäuschend.

Um den Besuchsservice trotz aller regulatorischer Anforderungen publikumsorientiert zu gestalten, bietet sich deshalb die gemeinsame Betrachtung der Rollen Aufsicht, Service und Vermittlung an. Das integrative Besuchsservice-Konzept geht davon aus, dass jede*r Mitarbeiter*in im Besuchsservice gemäß ihren*seinen Stärken in möglichst vielen Rollen geschult, eingesetzt und weitergebildet wird. Je nach den konkreten Bedarfen des Kulturortes (Was wird ausgestellt? Wie ist die Vermittlung aufgebaut? Welche Services werden angeboten? Wer ist Ansprechpartner*in für welche Fragen?) lassen sich unterschiedliche Modelle denken – wie bspw. die Integration der Rollen in einer Rolle oder aber der Einsatz der Mitarbeiter*innen in einem Rotationsprinzip. Wir nennen Ihnen 5 Gründe, die dafür sprechen!

#Grund 1: Verbesserung der Qualität im Besuchsservice

Wenn das Team in allen Bereichen des Besuchsservices mindestens basis-geschult ist, kann insbesondere spontanen Besucherfragen oder -bedürfnissen jederzeit und von jedem Mitarbeitenden professionell und lösungsorientiert begegnet und so den Besucherwartungen entsprochen werden. Die Qualität der Leistungen verbessert sich zudem nicht nur faktisch durch bspw. bessere Auskunftsfähigkeit, sondern auch durch die Bereitschaft aller Mitarbeiter*innen ihre Rolle(n) besucherorientiert und motiviert auszuüben. Die Gründe hierfür erläutern wir folgend.

#Grund 2: Stärkung der Mitarbeitermotivation & -einbindung

Eine hohe Qualität der Leistungserbringung ist eng mit der Motivation der Mitarbeitenden, der Einbindung ins Team und der Identifikation mit dem Kulturort verbunden. Der Einsatz aller Mitarbeiter*innen gemäß ihren Stärken in möglichst vielen Bereichen des Besuchsservices, hat u.a. die folgenden Auswirkungen hinsichtlich Motivation und Einbindung:

  • Stärkt die Handlungssicherheit in vielen Situationen im Besucherkontakt
  • Verbessert die Identifikation mit dem Kulturort
  • Stärkt das Gefühl der Wertschätzung durch Einbindung in den Wissenstransfer
  • Fördert das Verständnis der Rollen und Aufgaben und damit auch das Team- Bewusstsein
  • Wirkt gegen die Routine und verhindert so das Eintreten von Langeweile oder Lustlosigkeit (insb. bei „reinen“ Aufsichtstätigkeiten)

Grundsätzlich beugt der Invest in Mitarbeitermotivation und -einbindung langfristig auch der Personalfluktuation vor, sichert so ein beständiges Team und senkt damit den Ressourceneinsatz für die Rekrutierung und Einarbeitung für die Kulturorte oder ihre Auftragnehmer*innen.

#Grund 3: Vermeidung von Distinktionsdynamiken

Durch den synergetischen Einsatz der Mitarbeiter*innen können sich keine Distinktionsdynamiken entwickeln, die häufig künstliche Hierarchien in Besuchsservice- Teams fördern, die Abstimmungswege verlängern und „Machtwissen“ etablieren, statt die lösungsorientierte Kooperation zu fördern und professionelle Qualitätssicherungsprozesse zu betreiben das Wissen zirkuliert.

#Grund 4: Budgetäre Vorteile

Durch Integration der Rollen können Synergien effizient genutzt werden, was sich durch Ressourcenschonung positiv budgetär niederschlägt: Wenn für die Erbringungen mehrerer Rollen nur eine Person benötigt wird, sinken die Personalkosten. Dieses Delta kann wiederum genutzt werden, um die einzelnen Mitarbeiter*innen über dem Mindestlohn zu vergüten und/oder großzügiger in die Qualifizierung des Personals zu investieren – eine Win- Win-Situation, die seitens der Mitarbeitenden zu höherer Motivation, und seitens der Kulturorte zu gesteigerter Qualität führt.

#Grund 5: Flexibilität bei der Personalplanung

Ein Team, das für den Einsatz in möglichst vielen Besuchsservice-Bereichen geschult ist, kann entsprechend auch flexibel und qualitätsgesichert in vielen Bereichen eingesetzt werden. Dies ist insbesondere bei kurzfristigen Personalausfällen sowie Kündigungen und Nachbesetzungen von Vorteil.

Integrative Besuchsservice-Teams in der Praxis: „Living the City“

Zuletzt konnten wir unsere Expertise im Aufbau und Management des Besuchsservice- Teams für die vom Bundesinnenministerium beauftragte Stadtentwicklungs-Ausstellung „Living the City – eine Ausstellung über Städte, Menschen und Geschichten“ einbringen. Statt separierte Teams für Aufsicht, Service und Vermittlung aufzubauen, haben wir diese Rollen integriert. Eine Erkenntnis der ersten Besuchstage war, dass Besucher*innen es nicht gewohnt waren, mit dem sonst üblicherweise distanzierten „Aufsichtspersonal“ ins Gespräch oder gar in die Vermittlungssituation zu gehen – und waren angenehm überrascht, nicht nur aus der Distanz beäugt zu werden. Wir wiesen die Besucher*innen deshalb fortan darauf hin, dass unsere Aufsichten auch Vermittler*innen sind und schufen so einen offenen Raum für die Begegnung zwischen Besucher*innen, Mitarbeiter*innen und den Ausstellungsinhalten.

Wenn Sie Interesse an einem unverbindlichen Austausch über die Potenziale des Einsatzes von integrativen Besuchsservice-Teams haben, melden Sie sich gerne per E-Mail oder telefonisch unter 030 263 966 50 bei uns.